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Metakognition: Mentales Werkzeug für ein gutes Leben

Wenn das Leben uns eine sprichwörtliche Zitrone gibt, reagieren wir unterschiedlich – manche machen Limonade, andere kommen jedoch nur schwer über den saueren Geschmack hinweg. Wie gut wir Krisen meistern hat oft mit metakognitiven Fähigkeiten zu tun. Was das heißt, welche mentalen Prozesse uns schaden – und wie wir gelassener mit Stress umgehen.

addisca Metakognition

Schüler:innen in Singapur müssen im Mathe-Unterricht nicht nur rechnen, sondern auch reflektieren. Eine typische Aufgabe ist, einzelne Lösungsschritte rückwärts aufzuschreiben – und zwar so, dass jüngere Kinder es verstehen würden. Ein Problem zu lösen reicht nicht aus, man muss auch erklären, was das Problem überhaupt zum Problem macht. Ein fester Bestandteil des Unterrichts ist: Zu lernen, wie man eigentlich lernt und nachdenkt. Kein Wunder, dass Singapurs Schulen im Pisa-Vergleich an der Spitze sind. 

Auch Leistungssportler:innen denken systematisch über ihre mentalen Prozesse nach, bewerten und optimieren sie, wie Wirtschaftsexperte Geoff Colvin in seinem Buch „Talent wird überschätzt“ schildert – und viele Trainer:innen bestätigen. Auch im Arbeitsalltag müssen wir immer öfter unsere eigenen Denkmuster bewerten: Wie gehe ich neue Aufgaben an? Wie komme ich mit schwierigen Situationen klar? Wie reagiere ich auf Fehler? Und vor allem: Ist das zielführend? Gute metakognitive Fähigkeiten helfen, eigene Denkprozesse zu verstehen und notfalls auch zu verändern. Eine Kunst, die in der modernen Welt immer gefragter wird – und helfen kann, Burnout zu vermeiden, gelassener und auch leistungsfähiger zu werden. 

Metakognitionen: Verstehen wie man denkt

Metakognition heißt zum einen das Wissen um das eigene Denken und die Auseinandersetzung mit mentalen Prozessen. Zum anderen werden so einzelne Überzeugungen genannt, die wir über unsere Denkmuster hegen. „Ich bin vergesslich“ ist eine Metakognition. „Ich bin gut in Mathe“ ebenfalls. Es ist kein Geheimnis, dass Gedanken unsere Gefühle beeinflussen. Mehr noch: Studien belegen, dass psychische Störungen ihren Ursprung in bestimmten mentalen Prozessen haben. Das ist der Ausgangspunkt der Metakognitiven Therapie (MCT), die von Adrian Wells entwickelt wurde und sich vor allem mit Denkprozessen beschäftigt.   

Welche Denkmuster können zu Störungen führen? „Auf jeden Fall das Grübeln und das Sich-Sorgen-machen“, sagt MCT-Trainerin Ulrike Gertzen. „Hin und wieder tun wir das alle, wir fragen uns, ‚Warum ist mir das passiert?‘ oder denken: ‚Hätte ich damals doch anders gehandelt…‘ oder ‚Was wenn ich krank bin und die Ärzte entdecken es nicht?‘“ Das ist auch nicht weiter schlimm. Problematisch wird’s erst, wenn das unkontrollierbar zu werden scheint und zusätzlich belastet oder gar zu einer mentalen Gewohnheit wird. „Für Menschen, die wenig ausgeprägte metakognitive Fähigkeiten haben, ist es schwierig, aus solchen Denkprozessen auszusteigen“, sagt Ulrike Gertzen. 

Und hier sind wir mitten bei Metakognitionen. Sie funktionieren grob gesagt wie Einstellungen in unserem Gehirn. „Ich bin meinen Gedanken schutzlos ausgeliefert“ ist eine verbreitete Annahme – und sie ist falsch. Genauso wie die Überzeugung: „Indem ich Katastrophenszenarien immer wieder durchgehe, bin ich besser vorbereitet.“ In Wirklichkeit hilft beides nicht – mehr noch, oftmals schadet es unserer psychischen Gesundheit. Doch aus diesen Annahmen resultiert, wie wir mit unseren Gedanken umgehen. 

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Automatische Gedanken und mentale Strategien

Stellen wir uns eine Person vor, deren Firma vor einer Kündigungswelle steht. Mitarbeiterin A spricht im Büro und zuhause von nichts anderem mehr, grübelt Tag und Nacht und schläft seit der Nachricht deutlich schlechter. Zudem fühlt sie sich machtlos und sieht immer weniger Sinn in ihrer Arbeit, was ihre Stimmung zusätzlich trübt. 

Mitarbeiterin B hingegen weiß, dass sie ebenfalls zum Grübeln und Sich-Sorgen-machen neigt. Deswegen fragt sie sich: Kann ich etwas tun? Womöglich ruft sie einen Headhunter an oder schickt ihre Unterlagen an ein paar Unternehmen mit passenden Ausschreibungen. Oder sie beschließt, erstmal abzuwarten. Sie erledigt also weiterhin ihre Arbeit so gut es geht und nach Feierabend verabredet sie sich mit Freunden, um sich abzulenken. Hin und wieder kommen unangenehme Gedanken, aber Mitarbeiterin B versucht, nicht darauf einzusteigen und ihnen nicht mehr Raum zu geben als nötig. 

Welche Strategie ist wohl hilfreicher?

Um im Leben klarzukommen, haben wir ein Hirn. 60.000 Gedanken gehen nachweislich jeden Tag dadurch. Die allermeisten sind automatische Gedanken wie „Ich muss noch Geschirr spülen“ oder „Wie ging noch mal dieses eine Lied?“ oder auch „Ich hab mal wieder nichts geschafft.“ Diese Gedanken können wir nicht steuern. Wer das glaubt, soll einmal versuchen, nicht an den rosa Elefanten zu denken. Was wir steuern können, ist der Umgang mit ihnen. So können wir nicht kontrollieren, ob wir wieder an eine mögliche Kündigung denken. Wir können aber „Stopp sagen“, bevor wir stundenlang grübeln – und uns auf etwas anderes fokussieren

Laut Forschern sind lediglich drei Prozent unserer Gedanken positiv. Das meint unser Gehirn nicht böse mit uns. Es möchte uns nur vor Gefahren schützen. Hat uns einmal ein Hund gebissen, schlägt das Hirn jedes Mal Alarm, wenn wir Gebell hören. Die meisten  automatischen Gedanken vergessen wir jedoch schnell wieder. Doch wenn wir darauf einsteigen – stundenlang grübeln oder sie zu verdrängen versuchen – belasten sie uns noch mehr.

 „Unliebsame Gedanken, Erinnerungen und Vorstellungen sowie die damit einhergehenden Gefühle lassen sich nicht bzw. nur kurzfristig unterdrücken“, schreibt MCT-Trainer Dr. Oliver Korn. Wer einen Gedanken verdrängt, beschäftigt sich noch stärker damit, sodass er noch öfter auftaucht. Auf Dauer führt das zum Grübeln, Hadern und Sich-Sorgen-Machen – ebenjenen Denkprozessen, die schlimmstenfalls zu Stress, Depressionen und Burnout führen können. 

Eine simple Technik hilft, das zu verhindern: Die losgelöste Achtsamkeit

Losgelöste Achtsamkeit für mehr Fokus

Wer einen vollen To-Do-Zettel hat, denkt vielleicht mal: „Das schaffe ich sowieso nicht“ oder „Warum habe ich mir noch so viel aufgehalst?“ oder auch „Ich weiß jetzt schon, dass ich heute Abend total erledigt sein werde.“ Solche Gedanken sind normal. Entscheidend ist, ob wir ihnen Raum geben. Denn Gedanken sind nicht die Realität, sie sind einfach innere Reize, die kommen und gehen. Wer es schafft, Gedanken losgelöst zu betrachten, kann sich leichter von ihnen lossagen. Losgelöste Achtsamkeit heißt also: Unangenehme Gedanken oder Gefühle wahrnehmen, akzeptieren – und auch wieder vorbeiziehen lassen. 

„Es ist es eine einfache Strategie, die man in jeder Situation anwenden kann, ohne großartig zu üben“, sagt Ulrike Gertzen. „Aber es ist auch eine Haltung – die Haltung, dass Gedanken nur Gedanken sind, innere Ereignisse, auf die wir womöglich nicht reagieren müssen, die wir links liegen lassen.“ 

Das mag ungewöhnlich klingen. „Wir haben gelernt, dass wenn uns etwas stört, wir dem Aufmerksamkeit schenken oder uns ganz viel ablenken müssen – auf jeden Fall etwas machen“, sagt Gertzen. Und das ist auch sinnvoll, wenn es tatsächlich etwas zu tun gibt. Bekommt man Husten und Fieber, sollte man sich womöglich auf Corona testen lassen. Macht das Auto Probleme, wäre ein Werkstatt-Besuch angebracht. Doch nicht jeder Gedanke braucht eine Handlung. Wenn wir uns übermäßig mit negativen Gedanken beschäftigen, ist es geistig anstrengend. Es verstärkt Gefühle wie Trauer und Hilflosigkeit. Und es raubt uns die Energie, Dinge aktiv zu verändern. „Ein Gedanke ist nur ein Gedanke, er muss nicht eintreten“, sagt Gertzen. „Und ich kann üben, nicht darauf zu reagieren.“ 

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