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Führen in Teilzeit: Ein Interview mit Ludger Schöcke

Führen in Teilzeit – bisher immer noch eine Ausnahme. Ludger Schöcke ist VP Management & Organizational Development bei der Marquardt Gruppe – seit 2011 arbeitet er 20 Stunden in der Woche. Er erzählt, wie Teilzeit-Führung funktioniert, welche Rolle der Kopf spielt und warum er seitdem effektiver ist.

 

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Ludger Schöcke mit seinem Hund

Eine Führungskraft in Teilzeit: Das gibt es noch nicht oft. Wie läufts? 

Das läuft nicht wesentlich anders als in Vollzeit: Führung ist Führung.

Sie arbeiten 20 Stunden in der Woche. Kann man mit 20 Stunden gut führen?   

Klar. Ehrlich gesagt, glaube ich, dass man sogar besser führen kann. Weil ich besser erreichbar bin, als wenn ich 50 oder 60 Stunden völlig ausgebucht wäre. 

Wie verteilen Sie die Stunden?

Dienstag und Donnerstag bin ich planmäßig im Büro – mal ein, zwei Stunden, mal auch den ganzen Tag. Da habe ich meine Standard-Termine und Jour Fixes. Den Rest arbeite ich von zu Hause. Das teile mir ein, wie es gerade passt. 

Gelingt Ihnen das gut?

Ja, ich bin zufrieden. Wenn ich mal eine Woche in einem Strategiemeeting bin, ist es eben eine Woche in Vollzeit. Das nehme ich so hin oder mache dann wieder ein bisschen weniger – da habe ich noch nie ein Nein gehört. Ich bin kein großer Freund des Begriffs Work-Life-Balance, weil so das eine gegen das andere steht. Ich spreche lieber von Work-Life-Integration. Ich bin sozusagen in Vollzeit erreichbar. Wenn die Kollegen dringende Themen haben, rufen sie an. Das beantworte ich – und bin wieder raus. Das erfordert eine gewisse Kompetenz. Wenn man das nicht kann und einen das weiterbeschäftigt, ist das schwieriger. Dann braucht es ein anderes Modell.    

Das Mentale ist also entscheidend?

Ich glaube, schon. Ich konnte immer ganz gut abschalten. Die Gefahr ist, dass man in einen Sog reinkommt: hier ein spannendes Thema, hier eine neue Aufgabe, hier eine Anfrage des Chefs. Da halt nicht in die Versuchung zu kommen, zu allem Ja zu sagen, sondern auf sich zu hören.  

Vor der Umstellung auf Teilzeit hatten Sie einen Schlaganfall. War das der Grund, die Stunden zu reduzieren?

Das war der Anlass. Ich war vorher Personalleiter und war dann 1,5 Jahre aus dem Job raus. Bis dahin hatte ich immer Vollgas gearbeitet. Arbeit war Lebensmittelpunkt. Nach dem Schlaganfall haben sich meine Werte gewissermaßen verschoben. Dann stellt man sich ja oft grundsätzliche Fragen: Was ist in meinem Leben wichtig? Wie will ich damit umgehen? Ich habe mich aus dem operativen, hektischen Geschäft zurückgezogen, bin eine Hierarchiestufe nach unten gegangen. Seitdem mache ich das Strategische. Das liegt mir auch mehr.

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War die Umstellung auf Teilzeit ein großer Einschnitt gewesen?

Der Einschnitt kam schon mit dem Schlaganfall – von 100 auf 0 runter. Mit Teilzeit habe ich deutlich mehr Lebensqualität gewonnen. Unterm Strich kann ich das jedem nur empfehlen.

Teilzeit gilt als Karrierekiller. Wie empfinden Sie das? 

Aus meiner Sicht gibt’s keine rationale Begründung dafür. Überhaupt nicht. Was natürlich nicht heißt, dass es nicht de facto so ist. Bei uns im Unternehmen ist Teilzeit jedenfalls keine Begründung dafür, nicht Karriere zu machen. Es gibt natürlich Bereiche, in denen ist es schwieriger. Wenn ich operativ ein Werk leite, zum Beispiel. Das ginge eher über Jobsharing, was aber koordiniert werden muss, die Leute müssen gut miteinander auskommen und so weiter. Aber ich würde auch das nicht per se als unmöglich ansehen. 

Arbeiten Sie effektiver als früher in Vollzeit? 

Auf jeden Fall. Bei den operativen Themen wäre das vielleicht weniger der Fall. Wenn ich mit dem Hund spazieren gehe, kann ich nichts wegschaffen. Bei den strategischen Themen ist es anders – in der Zeit, in der ich nicht im engeren Sinne arbeite, denke ich ja auch. Das führt zu einer höheren Arbeitsqualität.  

Wie reagieren die anderen, wenn Sie früher nach Hause gehen? Ernten Sie manchmal komische Blicke?  

Komische Blicke, nein. Normalerweise sind die Kollegen sehr verständnisvoll. Natürlich gibt’s immer mal wieder einen Kommentar wie „Schon wieder Feierabend?“ Aber das finde ich völlig im Rahmen. Dann gibt’s einen blöden Kommentar zurück, und das Thema ist durch.  

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Was ist sonst wichtig, damit Führung in Teilzeit gelingt? 

Den Kontakt zu den Leuten halten. Wenn ich in der Firma bin, trinke ich immer einen Kaffee mit den Leuten. Das ist auch ein Remote-Thema, aber auch wenn man vor Ort ist, sollte man sich um die Leute kümmern. Beziehungen pflegen.  

Remote-Führung ist generell nochmal ein anderes, großes Thema.  

Wir waren vor Corona auch schon international aufgestellt, auch meine Mitarbeiter sitzen an verschiedenen Standorten. Aber dieses „ich muss vor Ort sein und die Leute im Blick haben“ – das ist so was von alt und tradiert. Es ist nicht mehr angemessen. Es gibt Situationen, da muss man vor Ort sein. Wenn es brennt, bin ich vor Ort. Aber das ist situativ.

Laut Studien wollen immer mehr Menschen auf Teilzeit zu arbeiten. Können Sie das nachvollziehen?  

Einerseits ja. Andererseits ist es hilfreich, auch eine Phase zu haben, in der man sich 100 % oder sogar 150 % für etwas engagiert. Das muss auch nicht immer Arbeit sein. Aber ich glaube, es ist wichtig, dass man für etwas brennt.

Das muss ja nicht 40 Stunden in der Woche sein.  

Das stimmt. Aber – und da gerate ich vielleicht in den Verdacht der alten Generation – es macht einen Unterschied, ob es aus einer Überzeugung heraus geschieht oder aus Bequemlichkeit.

Letzte Frage: Was machen Sie eigentlich so mit dem Rest der Zeit?  

Ich habe keine Familie, aber einen Hund. (lacht) Ich habe nochmal studiert, analytische Psychologie. Das ist ein paar Jahre her. Ansonsten lebe ich.

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