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„Selbstzweifel sind ein Riesenthema“: Marc Völler über die Arbeit mit Gen Z

Marc Völler ist Trendforscher seit 20 Jahren und, wie er sagt, Gen-Z-Enthusiast. Ein Gespräch über die Ansprüche der Generation Z und über die Herausforderungen und Chancen einer Zusammenarbeit.

Du beschäftigst Dich intensiv mit der Generation Z und hast das Projekt „Gen Z Genius“ ins Leben gerufen. Was genau ist das?  

In diesem Future Lab sprechen wir mit der Gen Z, statt nur über sie zu sprechen, wie so oft. Gen Z Genius ist der ehrliche Dialog mit jungen Neudenkern, die Lust haben, die Zukunft mitzugestalten. Ich habe irgendwann gemerkt, dass man bei der Generation Z mit reiner Marktforschung an Grenzen stößt. Marktforschung bildet ja nur ab, was gerade ist. Bei der Gen Z gibts aber starke Dynamiken. Teilweise ändert sich das Konsumverhalten innerhalb kürzester Zeit. Wir müssen also in die Zukunft blicken. Es ist auch eine Möglichkeit für Unternehmen, Fragen von dieser Zielgruppe selbst beantworten zu lassen, anstatt sich nur auf Statistiken zu berufen. 

Du hilfst also Unternehmen, die Generation Z besser zu verstehen. 

Richtig. Und zwar nicht nur, um sie besser zu erreichen. In den letzten Jahren geht’s viel mehr darum: Wie kann ich sie als Arbeitgeber begeistern?  

Was sind denn die Herausforderungen in der Zusammenarbeit mit Gen Z? 

Das Unstetige. Der Veränderungswille ist sehr groß. Sie tun sich sehr schwer mit Entscheidungen, was sie auch selbst wissen. Das führt zum Beispiel dazu, dass viele Bewerbungen, aber nur wenige Abschlüsse da sind. Die Wechselbereitschaft ist extrem hoch. Über die Hälfte der Gen Z, die bereits im Arbeitsverhältnis waren, haben 2022 gesagt: Ich kann mir durchaus vorstellen, dieses Jahr noch zu wechseln. Das ist ein enormes Problem für die Arbeitgeber. Auch der Wunsch, sich selbständig zu machen, ist sehr stark, wodurch man weniger Potenzial an Nachwuchskräften hat.  

Gen Z wird oft als faul, technologieabhängig und anspruchsvoll verschrien. Sie will wenig arbeiten und viel verdienen. Zu viele Forderungen, nicht genug Einsatz. Was sagst Du zu dieser Kritik?  

Aus Sicht alter Arbeitsmodelle und tradierter Unternehmen mag das so wirken. Aber nicht nur aus meinen Gesprächen, sondern auch aus der Erfahrung, mit dieser Generation zu arbeiten, kann ich sagen: Das ist Quatsch. Ich sehe wahnsinnig viel Leistungspotenzial. Die Gen Z ist technisch versiert und extrem selbstreflektiert. Das macht ihre Arbeit sehr effektiv, führt aber mitunter auch zu anderen Problemen, Stichwort Overthinking.

Woher kommt dann diese Kritik? 

Es stimmt, dass viele junge Menschen nicht mehr in klassischen Arbeitsmodellen arbeiten wollen. Sie sind ja auch mit der Einstellung aufgewachsen, dass sie sich nicht anpassen müssen. Alle Brand Messages sagen: Sei du selbst, mach dein Ding. Dann können wir nicht verlangen, dass sie sich für ein System verbieten, von dem wir selbst wissen, das es so nicht mehr funktioniert. Remote Work war vor Pandemie zum Beispiel ein Riesenproblem. Durch Corona wurden wir dazu gezwungen, und am Ende sind wir relativ glücklich mit der Lösung. Es ist also doch möglich, etwas zu verändern – und das wissen Unternehmen auch.  

Was ist der Gen Z besonders wichtig?  

Wertschätzung. Anerkennung, Augenhöhe. Sie lehnen es nicht grundsätzlich ab, von der älteren Generation zu lernen. Dieses „Ok, Boomer“ kommt nur, wenn die Älteren von oben herabschauen. Je klassischer die Hierarchien und der Umgang ist, desto weniger lassen sie sich drauf ein. Sie gehen außerdem dahin, wo es Entfaltungsmöglichkeiten gibt. Die klassische Definition von Erfolg – das maximale Gewinnstreben – stellen sie stark in Frage.  

Hast du ein Beispiel? 

Es gibt erfolgreiche Coder, die eine Tischlerausbildung anfangen – weil sie Lust darauf haben. Aber das findet in Unternehmen statt, in denen sie sich entfalten können. Natürlich muss man auf Kundenwünsche eingehen, nicht alles, was man macht, entspricht unbedingt dem eigenen Geschmack – aber die Möglichkeiten, kreativ zu arbeiten, sind enorm wichtig.

Sprechen wir über den mentalen Zustand dieser Generation. Der soll ziemlich besorgniserregend sein. Auch Du sagst: Gen Z steht enorm unter Druck. Warum?  

Das ist tatsächlich erschreckend. Panikattacken, Angstzustände, Depressionen. Das belegen auch die Zahlen über Diagnosen oder sogar gestiegene Selbstmordraten. Ich bekomme die Veränderung auch als Dozent mit. Die Angst vor Präsentationen ist deutlich größer geworden. Das wurde früher ganz anders weggedrückt. Auf der anderen Seite hat die Gen Z auch gelernt, offen über ihre mentale Gesundheit zu sprechen. Und sie hat auch viele Tools, damit umzugehen. Social Media wird oft als Ursache für diesen Mental Overload gesehen, was auch stimmt. Aber es ist auch eine Möglichkeit, Gleichgesinnte zu finden, sich auszutauschen und diese Probleme sichtbar zu machen.

Du hast vorhin über Overthinking gesprochen. Es ist richtig, dass es auf Social Media viel Content und Aufklärung beispielsweise zum Thema psychische Erkrankungen gibt. Forscher:innen sagen aber auch, dass die Gefahr besteht, sich gewissermaßen darin zu suhlen: Immer wieder über die Probleme nachzudenken, statt zu Lösungen zu kommen. Was dann zum Overthinking führt – und das Problem verstärkt.  

Ganz sicher. Die Möglichkeiten bringen immer auch Probleme mit sich. Junge Menschen stehen wie gesagt unter enormem Druck. Sie können studieren, Ausbildung machen, ins Ausland gehen, sich selbständig machen, quer einsteigen … Dazu kommt noch der relativ offene Arbeitsmarkt. Die Möglichkeiten sind unendlich: Sich festzulegen wird dann wirklich zum Problem. Und natürlich führt es dazu, dass man overthinkt: Bin ich wirklich gut genug? Diese Selbstzweifel sind ein Riesenthema bei der Generation.  

Das hilft natürlich nicht unbedingt, psychisch gesund zu bleiben. 

Man muss dazu sagen: Das alles kommt nicht von der Gen Z. Die Beauty Standards, diese Overstimulation, das Vergleichen, die Likes. Instagram ist keine Erfindung der Gen Z. TikTok geht schon in eine andere Richtung. Da geht’s viel weniger um Perfektion. Auch das hinterfragen sie ganz stark.

Wie können Unternehmen sich besser an Bedürfnisse dieser Generation anpassen? 

Klassische Unternehmen, nicht alle, aber viele, werden Schwierigkeiten bekommen. Der Massenmarkt steht zunehmend auf dem Prüfstand. Eine Empfehlung ist, nicht ausschließlich das maximale Gewinnstreben zu fokussieren. Soziale Aspekte werden immer wichtiger. Chancengleichheit, gleiche Bezahlung, Remote Work. Es geht darum, die Mitarbeitenden ernst zu nehmen. Wir ältere Generationen müssen deren Probleme sehen – und auch Lösungsmöglichkeiten anbieten.

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