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Der Unterlassungseffekt: Nichts tun gibt Sicherheit

Impfen oder nicht? Kündigen oder aushalten? Maßnahmen einführen oder abwarten? Oft entscheiden wir uns lieber fürs Nichtstun, weil es scheinbar mit weniger Risiko verbunden ist. Die Forschung nennt das Omission Bias oder Unterlassungseffekt. Warum wir passiv bleiben, auch wenn es zu unserem Nachteil ist – und was dagegen zu tun ist.

Unterlassungseffekt

Angenommen, Du machst einen Fehler bei der Arbeit. Die oder der Vorgesetzte wird es mit Sicherheit früher oder später herausfinden – und ziemlich sauer sein. Solltest Du es lieber vorher beichten? Oder noch etwas abwarten? Der Omission Bias, zu Deutsch Unterlassungseffekt, bringt uns häufig dazu, nichts zu tun. Selbst wenn es rational gesehen die schlechtere Entscheidung ist.  

Bei den allermeisten Entscheidungen gibt’s zwei offensichtliche Optionen: etwas zu tun – oder es zu lassen. Experimente zeigen, dass wir eher zur Unterlassung tendieren. Auch dann, wenn alles dafürspricht, aktiv etwas zu unternehmen. Deshalb trennen sich Menschen teilweise jahrelang nicht von schlecht laufenden Aktien. Oder lassen ihre Kinder auch bei hohem Krankheitsrisiko nicht impfen, obwohl eine rationale Abwägung in den meisten Fällen klar fürs Impfen spricht. Aber warum tun wir am liebsten nichts, auch wenn es für uns klar von Nachteil ist?

Unterlassungseffekt und Verantwortung

Studien zeigen, dass wir uns eher für die Dinge verantwortlich fühlen, die wir aktiv getan haben, als für die Fälle, in denen wir passiv geblieben sind. Blöderweise gilt diese Einstellung auch in Situationen, in denen eine Handlung zu weniger Schaden führen kann als die Unterlassung. So würden wir uns nachweislich schuldiger fühlen, wenn unser Kind kurzfristig auf eine Impfung reagiert – beispielsweise Fieber bekommt – als wenn es ungeimpft erkrankt. Auch wenn ersteres deutlich unwahrscheinlicher und meist mit weniger Schaden verbunden ist.  

Was ist schlimmer: Einer Person in Not unsere Hilfe zu verweigern – oder ihre Not aktiv herbeizuführen? Der Effekt ist derselbe, und doch fühlt sich zweiteres schlimmer an. Experimente zeigen auch, dass Menschen sich weniger schuldig fühlen, wenn sie passiv bleiben und dadurch mehrere Personen schädigen, als wenn sie aktiv werden und dabei einer Person Schaden zufügen, auch wenn sie diesen zugleich von mehreren Menschen abwenden. Wir beurteilen eine unterlassene Handlung als weniger riskant. Zudem rechnen wir meist mit weniger gravierenden Folgen und meinen, die Verantwortung besser von uns weisen zu können.   

Zwei weitere Bias spielen hier zudem übel mit: die Status-Quo-Verzerrung und der Default-Effekt. Letzterer zeigt sich zum Beispiel beim Thema Organspende: In Ländern, in denen sich die Menschen aktiv dafür entscheiden müssen, ist die Zahl der Spender deutlich niedriger, als in den Ländern, in den die Menschen widersprechen müssen, wenn sie ihre Organe nicht spenden wollen. Wenn wir uns zwischen zwei Optionen entscheiden müssen, entscheiden wir uns stets für die, bei der wir eine aktive Entscheidung umgehen können. Unter anderem deshalb bleiben wir zu lange in unbefriedigenden Jobs, Beziehungen oder Situationen, statt diese aufzulösen. Womöglich sind wir auch zu optimistisch: Ähnlich wie beim Planungsfehlschuss unterschätzen wir die Folgen des Nichtstuns. Es passiert schon nicht, denken wir – und bleiben weiter passiv, auch wenn vieles dagegenspricht. 

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Erster Schritt zur Besserung

Rational gesehen wissen wir: Unnötig lange in unvorteilhaften Situationen zu verharren ist wenig sinnvoll. Jobs, die unglücklich machen, Beziehungen, die zermürben oder auch Entscheidungen, die immer weiter hinausgezögert werden, all das raubt uns die Kraft. Dennoch prokrastinieren wir gerne und warten ab, ob sich das Problem nicht von alleine löst. Oft wollen wir alles “durchdenken” und wägen so lange ab, bis wir vor lauter Grübeln nachts nicht einschlafen können. In diesem Fall hilft die Besinnung auf das, was einem wichtig ist – zum Beispiel die eigene Gesundheit – und eine rationale Bestandsaufnahme: Wie wahrscheinlich ist es, dass Abwarten alles nur schlimmer macht? Und was wäre rational gesehen der bessere Weg?  

https://link.springer.com/article/10.1007/BF00208786 

http://journal.sjdm.org/jdm06002.pdf 

https://plato.stanford.edu/archives/win2011/entries/doing-allowing/ 

https://www.spektrum.de/lexikon/psychologie/omission-bias/10853 

Dobelli (2020): Die Kunst des klaren Denkens. 52 Denkfehler die Sie besser anderen überlassen. 2. Auflage. München: Piper Verlag GmbH 

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