Frank Steinhoff: Herr van Zwoll, im ersten Teil unseres Gespräches haben wir uns mit einigen psychologischen Fallstricken und hilfreichen Metaphern beschäftigt. Dieses „kleine Einmaleins des schlauen Denkens“ erwerben wir oft durch Lebenserfahrung, aber auch durch das Training von Schlüsselfertigkeiten, ähnlich wie im Leistungssport. Da addisca das Training insbesondere für Unternehmen anbietet, würde ich den Blick gerne auf den betrieblichen Kontext ausweiten. Wie ist Ihre Erfahrung: Wann kann ein Trainingsprogramm dazu beitragen, diese Schlüsselfertigkeiten zu vermitteln?
Jürgen van Zwoll: Ein gezieltes Coaching oder Training kann definitiv dazu beitragen, eine Person auf bestimmte Punkte mehr zu sensibilisieren, also sozusagen die Selbstbeobachtung zu schärfen, das ist nämlich erstmal der Punkt: Wenn ich mir über mich selbst klarer werde, über das, was auf mich wirkt, was meine Emotionen berührt in der Interaktion mit anderen. Wenn ich das schon mal verstehe, dann kann ich auch besser und reflektierter mit anderen interagieren. Das ist sozusagen ein intellektuelles, emotionales Ping-Pong-Spiel. Es gilt nicht immer nur den Schläger hinzuhalten und den Ball abprallen lassen, sondern es geht darum, anzunehmen, zu moderieren, zu gestalten, zu lernen, damit aktiver umzugehen. In der Kommunikation mit Menschen kann man sicherlich helfen und das Verständnis fördern: Es gibt andere Wahrnehmungen, andere Brillengläser, die ich aufsetzen kann, in der gleichen Situation – „different lenses“ wurde das in unserem Programm genannt. „Erkenne dich selbst!“, dann kennst du auch die anderen.
Catrin Bartel: Genau diese Erfahrungen machen die Teilnehmenden auch in unserem Trainingsprogramm für Führungskräfte. Ein besseres Verständnis der eigenen Denk- und Verhaltensmuster, kombiniert mit jederzeit umsetzbaren metakognitiven Fertigkeiten, erleichtert es, das von Ihnen im ersten Teil unseres Gesprächs skizzierte Bild – vom „auf den Balkon gehen, wenn es auf der Tanzfläche zu trubelig ist“ – sowohl im menschlichen Miteinander als auch im Umgang mit den eigenen Gedanken umzusetzen. Teilnehmende berichten, dass das Training ihnen hilft, sich selbst besser zu führen und somit auch ihren Mitarbeitenden fokussierter und mit deutlich weniger ungünstigen Denkprozessen zu begegnen, was zu einem produktiveren und angenehmeren Miteinander führt.
Jürgen van Zwoll: Wenn ich in diesem Zusammenhang an Top Führungskräfte denke, die man so aus der Zeitung kennt und von denen ich im Laufe der vielen Jahre den einen oder anderen kennenlernen durfte, da gibt es wirklich Persönlichkeiten. In den Gesprächen war es für mich immer wichtig zu sehen, ob der Bewerber sich unter Stress anders verhielt und ob er die Fähigkeit hatte, die Metaebene einzunehmen. Für einige Alphatiere stand die eigene Positionierung im Mittelpunkt. Andere waren total menschlich. Es fällt auf, dass viele dieser Menschen die Fähigkeit haben, Sie ganz in das Gespräch einzubeziehen und ganz bei Ihnen in dem Gespräch zu sein. Diese Menschen haben keinen Rede-Anteil von 80 %. Sie führen mit wenigen klaren Fragen schnell durchs Gespräch, das ist eine Kunst.
Erlernen Sie mentale Kernkompetenzen und entwickeln Sie sich zu einer souveränen und resilienten Führungspersönlichkeit.
Mehr erfahrenFrank Steinhoff: Nach unserem Verständnis ist es zudem essenziell, mögliche Denkmuster des Gegenübers besser zu verstehe. Denkmuster, die ich vielleicht gar nicht von mir selbst kenne, die mir aber bei anderen Menschen immer wieder begegnen wie beispielsweise den Profigrübler „hätten wir doch damals“ oder den Sorgenspezialisten „was, wenn es sich als Fehlentscheidung herausstellt“. In diesem Zusammenhang fällt mir der Kommentar eines Teilnehmers ein, der sagte, „jetzt verstehe ich endlich meine Frau!”. Wer die Denkmuster der Mitmenschen versteht, kann auf eventuelle Blockaden, beispielsweise in der Begleitung von Veränderungsprozessen im Unternehmen viel zielgerichteter eingehen. Oder auch akzeptieren, wo die Grenzen der eigenen Überzeugungskraft und Möglichkeiten liegen.
Jürgen van Zwoll: Soft Skills, die weichen Faktoren sind der Schlüssel für beruflichen Erfolg und nicht unbedingt die fachlichen Kompetenzen.
Catrin Bartel: Erlauben Sie mir, dass ich noch einmal auf Ihre Beobachtung zurückkomme, die Sie in Gesprächen mit einigen Top-Führungskräften gemacht haben: Dieses in einem Gespräch ganz bei dem Gesprächspartner, der Gesprächspartnerin zu sein. Das ist etwas, das auch in unseren Leadership Essentials eine wichtige Rolle spielt. Denn wenn wir uns zu sehr auf unsere spontan auftauchenden Gedanken, wie beispielsweise automatische Bewertungen fokussieren, kann das Gespräche – auch im Kontext Personalführung – sehr ungünstig beeinflussen.
Jürgen van Zwoll: Nach meiner Erfahrung tun sich vor allem Männer tendenziell schwerer, sich erst mal zurücknehmen, erst mal zuhören, erst mal abwarten zu können und nicht gleich reinzuspringen und zu werten. Für mich war das wirklich auch wichtig, mich mehr zu zwingen, zuzuhören und Fragen zu stellen – wenn Sie das richtig toll machen, bekommen Sie auch viel raus in einem Gespräch…
Das ist so eine Art Gedanken-Yoga. Im Yoga geht es ja auch darum, Spannungen zu halten, den Körper zu spüren. Also in diesem Fall den Geist besser zu spüren in der Interaktion, und belastende Situationen wie im Yoga als unbequeme Positionen wahrzunehmen – und spontan auftauchende Bewertungen, einfach mal aushalten und sie nicht-wertend zu beobachten.
Lesen Sie mehr dazu im Teil 3 des Interviews „Gedanken zu Unternehmenskultur und Betriebsklima im Gespräch mit Personalberater Jürgen van Zwoll“.