Spätestens seit Fuckup-Nights die Bühnen der Welt eroberten, sind die Begriffe Fehlerkultur und Fehlermanagement in aller Munde. Wer Fuckup-Nights noch nicht kennt: Da gehen Menschen auf die Bühnen, um von ihrem persönlichen oder beruflichen Scheitern zu berichten. Freiwillig.
Die Message ist klar: Scheitern muss als normaler Teil des Lebens, der Karriere und der Arbeit an sich begriffen werden – nur so können wir lernen. „Try again. Fail again. – Fail better“, um es mit den Worten des Dramatikers Samuel Beckett zu sagen.
Doch „aus Fehlern lernen“ ist leichter gesagt als getan. Das zeigt sich auch in Studien zur Fehlerkultur in deutschen Unternehmen:
Demnach werden Fehler in vielen deutschen Unternehmen immer noch als Zeichen von Schwäche gewertet. Es wird vermittelt, dass es Fehler zu vermeiden gilt. Im Ernst & Young Fehlerkultur Report 2023 gaben 64 % der deutschen Führungskräfte an, ihre Fehler zu verschweigen. Trotz des Wissens um die Bedeutung einer guten Fehlerkultur für die Innovationskraft und Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens überwiegt die Angst vor Gesichtsverlust und eigenen Karrierenachteilen.
Fehlermanagement im internationalen Vergleich
Dass diese Art des Umgangs mit Fehlern keinesfalls zwangsläufig ist, zeigt ein Blick über den deutschen Tellerrand – in den USA beispielsweise werden Fehler als wichtiger Bestandteil auf dem Weg zum Erfolg gesehen. Das ist auch sinnvoll, denn keine Erfolgsstory kommt ohne zwischenzeitliche Rückschläge aus. Dies zeigen sehr eindrucksvoll die Lebensläufe von Persönlichkeiten wie PayPal-Gründer Max Levchin, Amazon-Gründer Jeff Bezos, und Beispiele aus dem Hochleistungssport wie der Deutschland Achter, der bei den Olympischen Spielen 2008 auf den letzten Platz kam und 2012 Gold erruderte.
Unsicherheitsvermeidung als Gegenspieler von sozialem Denken und Kooperation?
Warum haben Fehler in deutschen Unternehmen ein derart schlechtes Image? Als Denkanstoß wagen wir den Hinweis auf zwei wahrscheinlich kulturell bedingte psychologische Phänomene: Studien zeigen, dass Deutsche im Gegensatz zu US-Amerikanern zu höherer Unsicherheitsvermeidung neigen, sich in unbekannten oder unsicheren Situationen tendenziell schneller bedroht fühlen und versuchen, sich durch besonders intensive Planung abzusichern. Damit einher geht auch die Tendenz, Fehler als Bedrohung wahrzunehmen und eher defensiv auf sie zu reagieren (Horvath et al., 2021). Zudem ist bei uns in Deutschland die Humanorientierung tendenziell niedriger ausgeprägt:„Harte Fakten“ haben einen höheren Stellenwert als „soziales Denken“ und altruistisches, faires und freundliches Verhalten – auch das kann unsere Toleranz gegenüber Fehlern anderer beeinträchtigen (Kabasakal & Bodur, 2004).
Logisch? Fehler haben schließlich Konsequenzen!
Natürlich kosten Fehler Zeit, Geld oder beides. Im Flugverkehr, bei der Polizei oder im OP-Saal können Fehler sogar Menschenleben gefährden. Doch gerade aus diesen Bereichen können wir lernen, wie wir am besten mit Fehlern umgehen. Dort geht man nämlich realistischerweise davon aus, dass sie passieren. So schreibt die Uniklinik Freiburg in einem Handbuch über Fehlermanagement, dass „Fehler einzelner oft nur symptomatisch sind für Sicherheitslücken und Unzulänglichkeiten im Arbeitsprozess und es nur eine Frage der Zeit ist, bis anderen Mitarbeiter:innen ein ähnlicher Fehler unterläuft.“
Wie sollten wir also mit Fehlern umgehen – und wie kann gesundes, konstruktives Fehlermanagement aussehen?
Was bedeutet Fehlermanagement?
Der Begriff ist im Grunde selbsterklärend: Unter Fehlermanagement verstehen wir schlicht den Umgang mit Fehlern – vorbeugend, wenn es passiert und im Nachgang. Sehen wir sie als unumgänglichen Teil jeder wertschöpfenden Arbeit und als Lern-/Entwicklungs-Chance – oder sanktionieren wir Fehler und stellen Führungspersonen oder Mitarbeitende für Fehler an den Pranger?
Warum ist ein konstruktives Fehlermanagement wichtig?
Um nochmal die Uniklinik Freiburg zu zitieren: „Durch das Bestrafen Einzelner wird also die Patientensicherheit nicht verbessert, eher kommt es zu Missstimmung, Frustration und sogar Ängsten im Team.“ Wenn Menschen für Fehler bestraft werden, neigen sie eher dazu, Verantwortung zu vermeiden und Fehler zu verheimlichen oder zu spät zuzugeben – so werden wichtige Chancen für Kursänderungen, Nachbesserung und Dazulernen vertan. Und die Angst vor Fehlern erstickt Initiative, Engagement und jede neue Idee im Keim, sodass Motivation behindert und Innovation fast unmöglich wird.
Arbeitsklima: Wie schaffe ich bessere Stimmung im Büro?
Artikel lesenDas spiegelt sich auch im Widerspruch zwischen Perfektionismus und Exzellenz, der schon 1982 im Bestseller von Peters und Waterman beschrieben wurde.
Und Fehler ist nicht gleich Fehler – beim Umgang mit Fehlern ist durchaus entscheidend, warum Fehler passieren: Resultiert ein Fehler aus dem Mut, Neues zu wagen und selbständig zu arbeiten oder aus Nachlässigkeit oder haben neue, ggf. unklare Prozesse oder geänderte Rahmenbedingungen den Fehler begünstigt?
Auch der Blick auf eigene, „dumme“ Missgeschicke ermöglicht ein besseres Verständnis dafür, wie leicht etwas „schief gehen kann“.
Fehlerkultur ist Führungssache
Eine gesunde Fehlerkultur zu etablieren, ist in erster Linie Führungsaufgabe. Dabei ist es wichtig, wie Führungskräfte selbst mit eigenen Fehlern und Fehlern, die im Team passieren, umgehen und wie über Fehler gesprochen wird:
Wenn von der Führungskraft ein menschlicher und sachlicher Umgang mit Fehlern vorgelebt wird, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass dieses Verhalten sich auch im Team etabliert. Aber: Respektvoll und sachlich zu kommunizieren und gleichzeitig ehrlich und authentisch zu sein, ist nicht immer einfach – besonders, wenn einem selbst schnell mal die „Hutschnur platzt“ (Economist, 2024). Wie metakognitive Fertigkeiten dabei helfen, eine gesunde Fehlerkultur mit Qualitätsansprüchen in Einklang zu bringen, lesen Sie hier.