Frank Steinhoff: Wir haben im ersten und zweiten Teil unseres Gesprächs bereits über typische Hindernisse gesprochen, wenn es darum geht, ein regelmäßiges Training zu beginnen – und wie Du damit umgehst. Wenn das geschafft ist, wie kann man sich selbst austricksen, um konstant dranzubleiben und die Motivation im Sport zu stärken?
Jonas von Ahn: Am besten gelingt das, indem wir Routinen aufbauen, die uns möglichst viele Entscheidungen im Voraus abnehmen. Wenn wir z. B. feste Zeitfenster für das Training einplanen und uns bereits vorher für einen Ort und ein Programm entscheiden, müssen wir nicht jedes Mal neu überlegen – das reduziert die mentale Hürde enorm. Wichtig ist, dass wir nicht zu lange überlegen, welches Programm nun „das Beste” ist, sondern erst einmal überhaupt mit etwas beginnen. Und wenn wir uns für ein Training entschieden haben, kommen trotzdem oft Gedanken wie „Heute nicht“ oder „Ich habe keine Lust“. In solchen Momenten hilft es, Sport nicht als freiwillige Freizeitbeschäftigung oder „Spaßprogramm“ zu sehen, sondern eher wie etwas Alltägliches und Selbstverständliches – auf einem Level mit Zähneputzen. Es gehört einfach zum Tag dazu.
Frank Steinhoff: Auch das deckt sich mit dem, was wir in unseren Trainings vermitteln: Akzeptanz von unbequemen Aufgaben, wenn sie denn sinnvoll sind, und Unterlassen von ständigem Hinterfragen. Viele Menschen haben doch aber auch Angst, sich zu verletzen – besonders, wenn sie bereits Beschwerden haben, z. B. Rückenschmerzen. Wie schaffst Du es, dass Deine Kund:innen Dir vertrauen und sich auf unangenehme Übungen einlassen?
Jonas von Ahn: Der wichtigste Schritt ist erstmal, den Kund:innen wirklich zuzuhören. Es geht darum, ihre Sorgen ernst zu nehmen und genau zu verstehen, wovor sie Angst haben und welche Art von Beschwerden vorliegen. Oft kann ich schnell erste Rückschlüsse auf die Ursachen ziehen. Wenn ich diese Zusammenhänge verständlich erkläre und gleichzeitig zeige, wie gezielte Bewegung dabei helfen kann, Schmerzen zu reduzieren, entsteht Vertrauen. Denn dann spüren die Kund:innen, dass ich ihr Problem verstehe und Erfahrung mit solchen Beschwerden habe. Empathie ist dabei genauso wichtig wie Fachwissen.
Frank Steinhoff: Gibt es einen mentalen Trick, um Schmerz nicht als Hindernis, sondern als Signal zu betrachten?
Jonas von Ahn: Ja, definitiv. Ich versuche, das Thema ganz nüchtern und realistisch anzugehen. Schmerz ist oft nichts Schlechtes – er ist ein natürlicher Hinweis des Körpers, dass irgendwo ein Missstand herrscht. Und genau das kann man auch als Chance sehen: Der Schmerz wird zum Signal, dass es Zeit ist, etwas zu verändern. Viele Menschen kommen überhaupt erst zum Sport, weil sie Beschwerden haben – Rückenschmerzen, Verspannungen oder Bewegungseinschränkungen. Der Schmerz ist also oft der erste Impuls, sich um den eigenen Körper zu kümmern. Wenn wir das verstehen, wird er vom Hindernis zum Antrieb – quasi ein Weckruf des Körpers. Oder anders: ich nehme meinen Kund:innen die Angst vor dem Schmerz, wenn ich ihnen die Sorge nehmen kann, sich zu schaden.
Catrin Bartel: Mit Gedanken ist das übrigens sehr ähnlich. Viele Menschen erleben bestimmte Gedanken als unangenehm oder sie denken, dass bestimmte Gedanken ihnen schaden könnten – und sie wollen solche Gedanken am liebsten gar nicht im Kopf haben. Auch hier vermitteln wir ähnliches wie Du: Spontane Gedanken sind nicht schädlich. Sie sind zunächst einmal Denkangebote unseres Kopfes, auf die wir eingehen können – oder auch nicht. Manchmal liefern sie uns zur richtigen Zeit wichtige Hinweise. Aber anders als beim Schmerz sind sie manchmal einfach Geplapper in unserem Kopf, um das wir uns nicht kümmern müssen.
Frank Steinhoff: Ich würde gerne noch einmal auf das Thema Aufmerksamkeitssteuerung zurückkommen: Die Biathletin Franziska Preuß hat sich während eines Wettkampfs durch einen Zwischenruf eines Betreuers irritieren lassen. Sie fing an, sich Gedanken zu machen und war dadurch nicht voll im Fokus, was sie möglicherweise den Sieg gekostet hat. Welche Techniken vermittelst Du, um Athlet:innen gegen solche Ablenkungen zu wappnen? Kann mentale Resilienz für solche Situationen gezielt trainiert werden?
Jonas von Ahn: Ja, auf jeden Fall. Meiner Erfahrung nach ist eine sehr effektive Technik, sich die Bewegung oder das Ziel bildlich vorzustellen. Wenn wir uns genau vor Augen führen, wie wir die Übung korrekt ausführen oder das angestrebte Ziel erreichen, können wir die mentale Fokussierung steigern. Beim Krafttraining zum Beispiel stelle ich mir vor, wie ich das Gewicht anhebe, wie ich es kontrolliere und oben halte. Wenn ich dieses Bild vor meinem inneren Auge habe, wird es deutlich wahrscheinlicher, dass ich es tatsächlich umsetze. Wir sollten uns jeweils auf das konzentrieren, was als Nächstes kommt, anstatt uns von möglichen Hindernissen oder Ablenkungen stören zu lassen. Diese Art der mentalen Vorbereitung und Konzentration kann definitiv trainiert werden und stärkt die Resilienz in stressigen oder herausfordernden Momenten.
Frank Steinhoff : Abschließend: Welche drei mentalen Strategien empfiehlst Du allen, die beim Training oft mit sich selbst kämpfen?
Jonas von Ahn: Drei mentale Tricks, die ich allen empfehlen würde, die beim Training oft mit sich selbst kämpfen, sind zum einen die Visualisierung des Ziels. Ich kann mir beispielsweise genau vorstellen, wie es wäre, wenn ich mein Wunschziel erreicht hätte – zum Beispiel, wie das gut Hemd sitzt oder wie ich die Treppen ins Büro morgens ohne große Anstrengung hinaufgehe. Diese Vorstellung kann wirklich motivieren, dranzubleiben.
Ein weiterer Trick ist eine gute Struktur zu schaffen, sich also realistische, klare Trainingsprogramme und feste Termine zu setzen, so dass wir nicht täglich aufs Neue Entscheidungen zu treffen haben. Dadurch bleiben wir leichter konsequent dabei und es bleibt weniger Raum für Ausreden.
Und schließlich ist es wichtig, Schmerzen im Training nicht automatisch negativ zu betrachten. Es ist wichtig zu lernen, zwischen Ermüdung und echtem Schmerz zu unterscheiden. Muskelkater und muskuläre Erschöpfung sind keine negativen Anzeichen, sondern vielmehr eine Bestätigung, dass der Körper wächst und stärker wird. Der Umgang mit solchen Herausforderungen kann das Training langfristig positiver gestalten.
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