Spätestens seit Fuckup-Nights die Bühnen der Welt eroberten, ist der Begriff in aller Munde: Fehlerkultur. Wer Fuckup-Nights noch nicht kennt: Da gehen Menschen auf die Bühnen, um von ihrem persönlichen oder beruflichen Scheitern zu berichten. Freiwillig.
Die Message ist klar: Das Scheitern muss als normaler Teil des Lebens, der Karriere und der Arbeit an sich begriffen werden – nur so können wir lernen. „Fail better“, um es mit den Worten des Dramatikers Samuel Beckett zu sagen.
Doch „aus Fehlern lernen“ ist leichter gesagt als getan. Laut Studien ist die deutsche Fehlerkultur, gelinde gesagt, ausbaufähig. In vielen Unternehmen müssen die Menschen mit Schuldzuweisungen, Bestrafungen oder negativen Folgen für ihre Karriere rechnen, wenn ihnen Fehler unterlaufen.
Wie können wir besser mit Fehlern umgehen?
Zunächst erscheint es logisch: Fehler haben schließlich Konsequenzen. Sie kosten Zeit, Geld oder beides. Im Flugverkehr, bei der Polizei oder im OP-Saal kosten Fehler manchmal auch Menschenleben. Doch gerade aus diesen Bereichen können wir lernen, wie wir am besten mit Fehlern umgehen. Dort geht man realistischerweise davon aus, dass sie passieren. Und bereitet sich möglichst darauf vor. So schreibt die Uniklinik Freiburg in einem Handbuch über Fehlermanagement, dass „Fehler einzelner oft nur symptomatisch sind für Sicherheitslücken und Unzulänglichkeiten im Arbeitsprozess und es nur eine Frage der Zeit ist, bis anderen Mitarbeiter:innen ein ähnlicher Fehler unterläuft.“
Wie sollten wir also mit Fehlern umgehen – und wie kann eine gesunde, konstruktive Fehlerkultur aussehen?
Was bedeutet Fehlerkultur?
Der Begriff ist eigentlich selbsterklärend: Unter Fehlerkultur oder Fehlermanagement verstehen wir schlicht den Umgang mit Fehlern. Konkret läuft er meist darauf hinaus: Sehen wir Fehler als eine Chance, etwas aus ihnen zu lernen, und als einen umgänglichen Teil des Prozesses – oder bestrafen wir Fehler und stellen die Mitarbeiter:innen für Fehltritte an den Pranger?
Warum ist eine gesunde Fehlerkultur wichtig?
Um nochmal die Uniklinik Freiburg zu zitieren: „Durch das Bestrafen Einzelner wird also die Patientensicherheit nicht verbessert, eher kommt es zu Missstimmung, Frustration und sogar Ängsten im Team.“ Wenn Menschen für Fehler bestraft werden, neigen sie eher dazu, sie zu verheimlichen oder zu spät zuzugeben – so werden Fehler viel zu spät behoben. Und die Angst, Fehler zu machen, erstickt jede neue Idee im Keim, sodass Innovation unmöglich wird.
Arbeitsklima: Wie schaffe ich bessere Stimmung im Büro?
Der Job gehört zu den größten Stressoren im Leben eines modernen Menschen – und schlechte Stimmung bei der Arbeit ist oft ein Kündigungsgrund. Unternehmen, die in ein gutes Betriebsklima investieren, investieren also auch in ihre Bilanzen. Wie gute Stimmung im Büro entsteht – und warum Kickertische nicht ausreichen.
Fehlerkultur ist Führungssache
Fehlerkultur ist in erster Linie Führungsaufgabe, weshalb die Führungskräfte sensibilisiert und am besten trainiert werden. Gesunde Führung wirkt auf mehreren Ebenen. Es ist wichtig, wie die direkte Führungskraft sich selbst verhält und wie sie kommuniziert: Spricht sie offen über Probleme oder Belastungen, nimmt sie Menschen aus dem Team und ihre Perspektiven ernst – oder zeigt sie sich mit Vorliebe als Super(wo)man? Lobt sie die Mitarbeitenden oder präsentiert sie ihre Erfolge gar als die eigenen?
Die Führungskraft schafft natürlich auch die Arbeitsbedingungen: Ist das Workload angemessen? Ist genügend Personal vorhanden oder müssen Menschen ständig Überstunden machen? Und die Führungskraft ist auch Vorbild: Pflegt sie einen menschlichen und sachlichen Umgang mit Fehlern, dann steigt die Wahrscheinlichkeit, dass dieses Verhalten auch im Team gelebt wird.
Okay: Und wie gestalten wir nun eine konstruktive Fehlerkultur?
Über Fehler sprechen
Wer einen Fehler gemacht hat, gibt es ungern zu – das ist menschlich. Es kann helfen, bei neuen Projekten im Vorfeld über mögliche Stolpersteine zu sprechen, sich einen Plan B zu überlegen. Das hilft generell dabei, Ziele zu erreichen: Nicht nur ein Ziel setzen, sondern auch den Weg dorthin durchzusprechen, inklusive Schwierigkeiten. Wer Probleme vermutet, sollte sie ansprechen, ohne als kritische:r Pendant:in zu gelten. Manche Firmen gehen sogar so weit, ein Belohnungssystem einzuführen, für alle, die auf Fehler hinweisen. Führungskräfte sollten ihre Belegschaft ermuntern, ihre eigenen Fehler möglichst schnell zuzugeben – und sie loben, wenn sie es tun.
Vertrauen etablieren
Oft spricht man von Vertrauenskultur: Auch das ist in erster Linie Führungsaufgabe. Wenn jemand für eine bestimmte Aufgabe eingestellt ist, bedeutet es logischerweise, dass das Unternehmen in die Fähigkeiten dieser Person vertraut. Dieses Vertrauen sollte im täglichen Umgang miteinander fühlbar sein. Konkret heißt es: Die Menschen als Expert:innen für ihren Job sehen, ihnen aber auch die Gelegenheit geben, sich weiterzuentwickeln – und eben darauf vertrauen, dass sie ernsthaft daran interessiert sind, einen guten Job zu machen. Vertrauen im Team ist wichtig: Nur so können Menschen einander auf Fehler oder Fehlerpotenzial hinweisen, ohne die Angst, einander auf den Schlips zu treten und sich unbeliebt zu machen.
Wertschätzung zeigen
Dazu gehört zum Beispiel häufiges, respektvolles Feedback. Aber auch der tägliche Umgang miteinander. Menschen sind weniger gestresst, wenn sie sich wertgeschätzt fühlen: Und wer gestresst ist, ist bekanntlich anfälliger für Fehler. Die Motivation und die Produktivität sind in einem wertschätzenden Klima natürlich höher. Wertschätzung heißt aber auch die Ideen der Mitarbeiter:innen ernst zu nehmen – und gesunde Arbeitsbedingungen zu schaffen.
Offene Kommunikation und verbindliche Regeln
Offene Kommunikation hilft immer: Was machen wir bei Fehlern? Wie können wir einander helfen, Fehler zu vermeiden? Wie könnten standardisierte Prozesse aussehen, um das Fehlerpotenzial zu reduzieren? In Bereichen, wo Fehler nicht unbedingt den Produktionsprozess lahmlegen oder gar gefährlich für Menschenleben sind, mögen verbindliche Regeln vielleicht unnötig sein. Aber es ist wichtig, dass Mitarbeitende wissen, wie die Führungskräfte mit Fehlern umgehen – und dass ihnen nichts droht, wenn ihnen doch mal einer passiert. Offene Kommunikation reduziert unproduktive Gedankenkreise wie Grübeln oder Sorgen – was produktiver und weniger fehleranfällig macht.
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