Psychische Belastungen in Deutschland nehmen weiter zu, so das Fazit der TK-Stressstudie von 2021. Der größte Belastungsfaktor, wenig überraschend: die Arbeit. Jede:r Dritte gibt an, „extrem“ von der Arbeit gestresst zu sein. Zu viel Arbeit, Termindruck, Unterbrechungen, Informationsüberflutung und schlechte Arbeitsbedingungen – das sind nur einige der Störfaktoren. (1)
Ein großes Problem: Denn psychische Belastungen können mit der Zeit zu psychischen Erkrankungen werden, wenn wir nichts dagegen tun. Die Zahl der gemeldeten Fälle nimmt auch hier seit Jahren zu: 2020 gingen laut TK-Gesundheitsreport die meisten Fehlzeiten auf das Konto psychischer Krankheiten. Die Ausfallkosten schätzt BAuA auf rund 36 Milliarden Euro im Jahr – gesundheitliche Folgekosten nicht einberechnet. (2) Das persönliche Leid ist schlimm genug, doch selbst wer rein in Unternehmenszahlen denkt, wird dringenden Handlungsbedarf erkennen.
Doch erstmal: eine Bestandsaufnahme. Wie entstehen eigentlich psychische Belastungen und welche Gefahren bringen sie mit sich?
Psychische Belastungen: Welche Ursachen und Folgen haben sie?
Grob gesagt reagiert unser Körper auf Stressoren mit der Ausschüttung von Hormonen wie Cortisol. Der Puls steigt, das Herz schlägt schneller, die Atmung beschleunigt sich: Wir sind konzentriert und kampfbereit. Das an sich ist eine gesunde Überlebensstrategie, die uns Jahrtausende lang gut gedient hat.
Problematisch ist nur, wenn die Belastungen zum Dauerzustand werden und zur Erschöpfung führen. Der Überschuss von Cortisol wird mit Herzerkrankungen, Bluthochdruck, Übergewicht und Konzentrationsproblemen zusammengebracht. Der Zusammenhang von Demenz und hohem Cortisol wird ebenfalls erforscht. Auch schlechter Schlaf kann die Folge sein, genau wie ein geschwächtes Immunsystem. Beides kann natürlich weitere Krankheiten auslösen oder begünstigen.
Psychische Belastungen bergen zudem doppelte Gefahr: Sie können nicht nur direkt Erkrankungen auslösen, sondern auch indirekt durch ungünstiges Kompensationsverhalten. Etwa Rauchen, Alkohol- und Drogenkonsum, ungesundes Essen, kontraproduktives Sozialverhalten wie Selbstisolierung oder ungünstige Denkmuster wie ewiges Grübeln in der Nacht – was wiederum für weitere Belastungen sorgt und noch mehr Krankheiten nach sich ziehen kann.
Sind Belastungen subjektiv?
Die subjektive Bewertung ist entscheidend: Eine Prüfungssituation, ein Arbeitskonflikt oder eine Kündigung kann jeweils als psychische Belastung oder als eine Herausforderung empfunden werden. Diesem Aspekt widmet sich zum Beispiel das Transaktionale Stressmodell. Es besagt, dass Belastungen entstehen, wenn Anforderungen und Bewältigungsmöglichkeiten nicht zusammenpassen.
Diese Bewertung erfolgt automatisch. Nehmen wir an, Du hast eine wichtige Deadline bei der Arbeit, die Zeit wird knapp – und Deine Kollegin wird krank. Du musst das Projekt also alleine stemmen. Diese Situation sorgt für Stress: Du empfindest sie als Bedrohung. Du prüfst also, ob Du die Situation bewältigen kannst und stufst sie entweder als eine Herausforderung oder als Überforderung ein. Du überlegst zum Beispiel, welche Ressourcen Du zur Bewältigung der Situation zur Verfügung stehen: Kannst Du einen Aufschub bekommen? Eine Nachtschicht einlegen? Das Projekt weniger ambitioniert angehen, kürzer gestalten? Das nennt sich „Coping“, zu Deutsch Bewältigung. Reichen diese Bewältigungsmechanismen aus, ist die Herausforderung gemeistert.
Warum ist dieser Punkt so wichtig? Weil subjektive Bewertungen objektiver Probleme für Dein Wohlbefinden entscheidend sind. Natürlich sind objektive Arbeitsbedingungen wichtig und es ist auch normal, dass Belastungen entstehen, wo objektiv etwas nicht stimmt – wo Arbeitsverdichtung, ständige Erreichbarkeit oder schlechte Führung an der Tagesordnung sind.
Was tun bei akuter psychischer Belastung?
Wenn Dir immer mehr Aufgaben aufgehalst werden, das Arbeiten immer belastender und die Pausen immer kürzer werden, kannst Du immer noch:
- Nein sagen
- Um mehr Zeit bitten
- Dich mit Kolleg:innen zusammentun und Aufgaben verteilen
- Das Gespräch mit der Führung suchen, auch im Team
- Dich bei akuter Belastung krankmelden
- Dich nach einem anderen Job umsehen
- oder die Situation akzeptieren: So viel erledigen, wie Du eben kannst und alles andere liegen lassen, bis Du Zeit dafür findest.
Was Du nicht unbedingt tun musst: Dich zusätzlich ärgern, sorgen oder ewig über die Situation grübeln. Das sind ungünstige Denkmuster, die auf Dauer nachweislich krank machen können. Dein Verhalten hängt jedoch davon ab, wie Du die Situation einstufst und welche Bewältigungsmechanismen Du für hilfreich hältst. Deine Bewertung ist also dafür entscheidend, wie Du mit Belastungen umgehst – und was Du als Belastung wahrnimmst.
Homeoffice macht es deutlich: Objektiv gewinnen wir Zeit und können unabhängiger arbeiten. Subjektiv klagen jedoch viele über das Nicht-Abschalten-Können, Arbeiten nach Feierabend und fehlende Abgrenzung.
Belastungen reduzieren mit Metakognition
Oftmals liegen die ungünstigen Bewertungen zugrunde wie: „Ich mache eben noch, sonst arbeite ich nicht hart genug“ oder wenig hilfreiche Metakognitionen wie: „Ich muss möglichst viel über meine Probleme nachdenken, um sie zu lösen.“ Übrigens: Während die Arbeit an sich Platz 1 unter den Stressoren im oben genannten TK-Report belegt, stehen hohe Ansprüche an sich selbst an zweiter Stelle. Das zeigt, wie oft Stress und Belastungen in unserem Kopf entstehen.
Deshalb ist es so wichtig, metakognitive Fähigkeiten auszubauen – im Sinne von Prävention von Belastungen setzen sie genau an der richtigen Stelle an, nämlich in unserem Gehirn. Im Idealfall beugt das Training dieser Fähigkeiten der Entstehung von Belastungen vor, ehe sie zu einem echten Problem werden – oder stärkt einen gesunden Umgang mit ihnen. Metakognition trainiert die richtige Handhabung der oben erwähnten Denkprozesse, die gerade bei Belastungen oft auftreten und auf Dauer krankmachen können. Denn selbst bei guten Arbeitsbedingungen sind Belastungen Teil der Arbeitswelt, ob im Büro oder im Homeoffice. Deshalb ist es so wichtig, den Umgang damit zu schulen.
Für die Prävention von Belastungen können und sollten Unternehmen einiges tun. Und woran erkennst Du, wenn Deine Mitarbeitenden akut belastet sind?
Wie erkenne ich psychisch belastete Mitarbeitende?
- Häufiges Fehlen oder Zuspätkommen
- Sozialer Rückzug oder Isolierung, Konflikte
- Gereiztheit oder häufige Stimmungstiefs
- Klagen oder Sarkasmus, der negativer als üblich ausfällt
- Körperliche Beschwerden
- Leistungsabfall, häufige Fehler oder auch unnötige Überstunden
- Auffallend weniger Engagement und Motivation, Nachlässigkeit
Auch hier hilft Metakognition: Denn wer metakognitive Fähigkeiten nutzt und ausbaut, urteilt weniger vorschnell, geht konstruktiver mit Problemen um – und hat es auch leichter, seine Mitarbeitenden zu verstehen und ihnen sinnvolle Hilfe anbieten zu können.