Nehmen wir an, Du führst ein Unternehmen – und es läuft gar nicht gut. Dein Gefühl sagt: Die Angestellten sind viel zu unproduktiv, daran muss es liegen. Nun schaust Du Dich im Büro um. Kollege A sieht (viel zu) entspannt aus, Kollegin X macht (mal wieder) eine Raucherpause, Kollegen Y und Z halten einen Plausch (ganz bestimmt über Privates).
Du machst also eine Ansage, schickst wütende Mails und willst mehr Feuer unter dem Hintern sehen. Und doch wird es nicht besser. Ganz klar: Du bist umgeben von faulen Schweinen und der Laden geht vor die Hunde. Dass Dein Unternehmen seine Marketingstrategie seit zwei Jahrzehnten nicht überarbeitet hat – so weit kommen Deine Gedanken nicht. Herzlichen Glückwunsch, der Confirmation Bias hat Dich fest im Griff.
Wir korrigieren nur ungern unsere Meinungen
Der Confirmation Bias, auch Bestätigungsfehler genannt, bezeichnet die Tendenz, nur an die Informationen zu glauben, die das eigene Weltbild stützen. Seinen Namen verdankt der Denkfehler dem englischen Psychologen Peter Wason und wird seit den 1960er Jahren systematisch erforscht. Studien zeigen: Wir suchen, interpretieren, bevorzugen und erinnern uns vor allem an die Dinge, die unserer Meinung entsprechen. Was dagegen spricht, ignorieren wir hingegen – und das kann Konsequenzen haben.
Die Welt wird immer gewalttätiger, es gibt mehr Hunger, Leid und Kriminalität? Die Zahlen sagen ganz deutlich das Gegenteil. Dennoch lassen sich viele Menschen nicht bekehren. Verfestigte Meinungen sind schwer zu stürzende Gebilde. Corona, Klimakrise oder die amerikanischen Wahlen im Jahr 2020 führen das exemplarisch vor. Wer denkt, Menschen seien im Kern schlecht, wird viele Beispiele finden, wer das Gegenteil glaubt – ebenfalls. Wir mögen es eben nicht, unsere verfestigten Ansichten zu korrigieren. Oder zugeben, dass wir falsch gelegen haben. Oder womöglich unser ganzes Weltbild überdenken. Das ist anstrengend – und womöglich peinlich.
Confirmation Bias verzerrt Dein Weltbild
Deshalb bekommt alles, was unsere Ansichten bestätigt, automatisch mehr Gewicht. Wir bevorzugen Kontakt zu Menschen, die unsere Ansichten teilen und vergessen Informationen, die unserer Meinung widersprechen. Das findet sich in jedem Bereich: Ärzt:innen halten oft an Erstdiagnosen fest und ignorieren Zeichen, die auf etwa anderes hindeuten. Hypochonder:innen sehen in jedem Wehwehchen den nahenden Tod. Und eifersüchtige Menschen sehen überall Zeichen für die Untreue des oder der Geliebten.
Natürlich verstärken die Social Media den Confirmation Bias, sind die Algorithmen doch darauf ausgerichtet, überwiegend Informationen auszuspielen, die unsere Filterblase stützen. Im schlimmsten Fall kann der Confirmation Bias zu einer Self-Fullfilling Prophecy führen – zum Beispiel, wenn Deine Angestellten keine Lust mehr auf Deine Vorwürfe und Deine autoritäre Führungsart haben, in Folge innerlich kündigen und tatsächlich unproduktiver werden. So können auch Vorurteile nach und nach verstärkt werden und ungünstige Gedankenprozesse sich immer weiter verfestigen.
Selbstbestätigung verhindern: Nur wie?
Bildung und Horizonterweiterung, kritisches Denken, und auch ein gelegentlicher Schritt raus aus der eigenen Blase können natürlich helfen. Lies Bücher, gut recherchierte Artikel, Statistiken. Sich von den eigenen Emotionen zu distanzieren, so schwer es auch fällt, hilft ebenfalls. Wenn Forschende eine These überprüfen wollen, suchen sie nicht nach Belegen, die ebendiese bestätigen, sondern versuchen, sie zu widerlegen. Wenn Du Dir das zur Gewohnheit machst, bist Du weiter als die meisten Menschen.
Der Autor Rolf Dobelli, der den Confirmation Bias den „Vater aller Denkfehler“ nennt, schlägt vor: Schreibe Deine stärksten Überzeugungen auf. Hier ist das Potenzial zur Selbsttäuschung nämlich besonders hoch. Je mehr Dir etwas ans Herz geht, desto stärker der Effekt. Deshalb ist es nahezu unmöglich, Menschen von gegenteiligen politischen oder religiösen Ansichten zu überzeugen.
In konkreten Fällen könnten zudem Fragen wie diese helfen:
- Warum glaube ich das?
- Habe ich tatsächlich belastbare Daten oder eher anekdotische Evidenz?
- Wie belastbar sind meine Quellen?
- Wie emotional reagiere ich auf eine gegenteilige Meinung zu diesem Thema?
- Gibt es Evidenz, dass ich falsch liege – und was würde das heißen?
- Wie offen bin ich für neue Informationen zu dem Thema?
Bedenke: Confirmation Bias gänzlich loswerden ist unmöglich. Wir urteilen eben nicht objektiv und oftmals ist das auch völlig in Ordnung, denn unser Gehirn braucht Abkürzungen. Doch um schlechten Entscheidungen und einer gewissen Engstirnigkeit vorzubeugen, kann ein wenig mentale Hygiene sicherlich nicht schaden.