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Psychische Gefährdungsbeurteilung

Die psychische Gefährdungs­beurteilung ist ein Verfahren zur Bewertung und Prävention von psychischen Belastungen am Arbeitsplatz. Es zielt darauf ab, potenzielle Risiken für die psychische Gesundheit der Arbeitnehmenden zu identifizieren und entsprechende Maßnahmen zu ergreifen.

psychische Gefährdungsbeurteilung

Psychische Belastungen am Arbeitsplatz haben in den letzten Jahren, nicht nur durch die Corona-Pandemie, deutlich zugenommen. Nach DIN EN ISO 10075-1 wird darunter „die Gesamtheit aller erfassbaren Einflüsse, die von außen auf den Menschen zukommen und psychisch auf ihn einwirken“ verstanden. Eine gesunde und positive Arbeitsumgebung ist jedoch nicht nur für das Wohlbefinden der Mitarbeitenden selbst entscheidend, sondern hat auch direkte Auswirkungen auf Produktivität, Mitarbeiterbindung und Unternehmenserfolg.

Was ist eine psychische Gefährdungs­beurteilung?

Die psychische Gefährdungsbeurteilung (PGB) ist ein systematischer Ansatz, um die psychischen Belastungen und Risiken am Arbeitsplatz zu ermitteln und geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um diese zu reduzieren. Durch die Erfassung dieser Informationen können Arbeitsbedingungen verbessert und psychische Belastungen reduziert werden. Insgesamt ist die psychische Gefährdungsbeurteilung ein wesentlicher Bestandteil eines ganzheitlichen betrieblichen Gesundheitsmanagements (BGM).

Nach GDA (Gemeinsame Deutsche Arbeitsschutzstrategie) Leitlinien wird dabei zwischen den folgenden fünf Merkmalsbereichen unterschieden, denen die jeweiligen Belastungsfaktoren zugeordnet werden.:

  • Arbeitsinhalt/Arbeitsaufgabe
  • Arbeitsorganisation
  • Soziale Beziehungen
  • Arbeitsumgebung
  • Neue Arbeitsformen

Warum sollte eine psychische Gefährdungs­beurteilung durchgeführt werden?

In vielen Ländern, so auch in Deutschland, sind Arbeitgeber gesetzlich dazu verpflichtet, die Gesundheit und Sicherheit ihrer Mitarbeitenden zu gewährleisten, was auch den Schutz vor psychischen Gefährdungen einschließt. Die gesetzliche Verpflichtung eine solche psychische Gefährdungsbeurteilung durchzuführen, um ihre Mitarbeitenden vor psychischen Belastungen zu schützen und deren Gesundheit zu fördern, ist im §5, Abs. 3, Nr. 6 des Arbeitsschutzgesetzes (ArbSchG) verankert.

 

Die Durchführung von psychischen Gefährdungsbeurteilungen zeigt den Mitarbeitenden zudem, dass das Unternehmen ihre Gesundheit und ihr Wohlbefinden ernst nimmt. Dies kann zu einer positiveren Arbeitsatmosphäre beitragen und das Vertrauen der Mitarbeitenden ins Unternehmen obendrein stärken. Zudem können durch die Reduzierung psychischer Belastungen die Produktivität und Leistungsfähigkeit der Mitarbeitenden verbessert werden.

Welche Schritte umfasst die psychische Gefährdungs­beurteilung?

Sie umfasst die folgenden sieben Schritte:

  1. Festlegen von Arbeitsbereichen und Tätigkeiten
  2. Ermitteln der Gefährdungen
  3. Beurteilen der Gefährdungen
  4. Festlegen der Ziele und konkreter Arbeitsschutzmaßnahmen
  5. Durchführung der Maßnahmen
  6. Überprüfung der Wirksamkeit der Maßnahmen
  7. Fortschreiben der Gefährdungsbeurteilung/Dokumentation

 

Die Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen ermittelt Gefährdungen tätigkeitsbezogen und losgelöst von den Beschäftigten. Zunächst sind die zu analysierenden Tätigkeitsbereiche festzulegen. Bei gleichartigen Arbeitsbedingungen reicht die Beurteilung eines Arbeitsbereichs oder einer Tätigkeit (§ 5 Abs. 2 ArbSchG).

Im zweiten Schritt werden Informationen über potenzielle Gefährdungen gesammelt. Dabei können verschiedene Werkzeuge und Methoden zum Einsatz kommen, um umfassende Informationen zu erhalten und aussagekräftige Ergebnisse zu erzielen. Hierzu zählen beispielsweise Mitarbeiterbefragungen, Krankenstandstatistiken, Arbeitsplatzbegehungen oder Gespräche mit Führungskräften und Mitarbeitenden.

Nachdem Informationen über Arbeitsbedingungen und Mitarbeitergesundheit gesammelt wurden, erfolgt die Bewertung der ermittelten Risiken und Identifizierung von Stressoren. Dabei werden die gesammelten Daten analysiert, um herauszufinden, welche Bereiche ein erhöhtes Risiko für psychische Belastungen aufweisen. Indikatoren können beispielsweise eine hohe Arbeitsbelastung, Zeitdruck, unklare Rollen und Verantwortlichkeiten, Konflikte am Arbeitsplatz oder mangelnde Unterstützung sein. Identifiziert werden sollten auch spezifische Risikogruppen, wie zum Beispiel Mitarbeitende in besonders belastenden Arbeitsbereichen. Die so definierten Risiken sollten dabei entsprechend ihrer Dringlichkeit und Tragweite priorisiert werden, um gezielte Maßnahmen entwickeln zu können. Standardisierte Auswertungsmanuale entsprechender Fragebögen sollten dabei beachtet werden.

Im Anschluss an die Gefährdungsbeurteilung werden konkrete Maßnahmen zur Reduzierung der identifizierten Risiken geplant. Dieser Plan sollte sowohl präventive als auch reaktive Maßnahmen enthalten. Er kann beispielsweise die Implementierung von Veränderungen in der Arbeitsorganisation, die Verbesserung der Kommunikation, die Schulung von Führungskräften oder die Einführung von Programmen zur Förderung der psychischen Gesundheit umfassen.

Die entwickelten Maßnahmen sollten im Anschluss umgesetzt und deren Wirksamkeit regelmäßig überprüft werden. Dabei muss geschaut werden, ob die umgesetzten Maßnahmen die gewünschten Ergebnisse erzielen und ob neue Risiken oder Belastungen entstanden sind. Gegebenenfalls muss der Maßnahmenplan im Anschluss noch einmal angepasst werden. In jedem Fall ist sicherzustellen, dass die psychische Gefährdungsbeurteilung kontinuierlich in den betrieblichen Ablauf integriert wird.

Bei all den Schritten spielen die Kommunikation und Sensibilisierung eine entscheidende Rolle. Eine offene und transparente Kommunikation mit den Mitarbeitenden, sowie eine offene Unternehmenskultur, die Stigmatisierung reduziert und Unterstützung bietet, ist wichtig, um die Mitarbeitenden in den Prozess einzubeziehen und darüber hinaus ihr Vertrauen zu gewinnen.

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Welche Werkzeuge und Methoden zur Durchführung einer psychischen Gefährdungs­beurteilung gibt es?

Wie bereits oben erwähnt, kann die psychische Belastung der Mitarbeitenden mittels unterschiedlicher Methoden erfasst werden. Das am häufigsten eingesetzte Instrument, weil am ökonomischsten, ist dabei die Mitarbeiterbefragung. Sie dient dazu die Einschätzungen und Erfahrungen der Mitarbeitenden direkt zu erfassen. Durch standardisierte Fragebögen, wie z.B. dem FGBU (Fragebogen zur Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen) oder dem COPSOQ (Copenhagen Psychosocial Questionnaire), können Informationen über die Stimmung, das Wohlbefinden und die Zufriedenheit am Arbeitsplatz erhoben werden. Zudem sollten dabei auch spezifische Aspekte wie die Arbeitsbelastung, den Umgang mit Stress, die Kommunikation oder die Unterstützung durch Vorgesetzte erhoben werden. Durch zusätzlich offene Fragen können individuelle Belastungen oder Anliegen der Mitarbeitenden identifiziert werden.

 

Neben der Mitarbeiterbefragung können auch Methoden wie Kurzinterviews, Arbeitsplatzbegehungen inkl. Kurzinterviews und Analyseworkshops zur Ermittlung der psychischen Belastung der Mitarbeitenden eingesetzt werden. Generell muss bei den gewählten Methoden zwischen quantitativen und qualitativen unterschieden. Vorteile quantitativer Methoden, wie z.B. Mitarbeiterbefragungen mittels Online-Umfragen, bestehen in der hohen Effizienz der Verfahren. Vorteile qualitativer Instrumente, wie z.B. einer Arbeitsplatzbegehung inkl. Kurzinterviews, bestehen hingegen in der Möglichkeit zur detaillierteren Betrachtung möglicher Belastungsfaktoren.

Wer führt die psychische Gefährdungs­beurteilung durch?

In deutschen Unternehmen obliegt die Durchführung von psychischen Gefährdungsbeurteilungen in der Regel den Arbeitgebern selbst. Es ist die Verantwortung der Geschäftsführung oder der Unternehmensleitung, die notwendigen Schritte zur Identifizierung und Bewertung von psychischen Belastungen am Arbeitsplatz zu ergreifen. Um eine umfassende und objektive Beurteilung zu gewährleisten, kann es jedoch sinnvoll sein, verschiedene Akteure in den Prozess einzubeziehen. Dies können beispielsweise interne Fachkräfte für Arbeitssicherheit, Betriebsärzte oder Personalverantwortliche sein, die über das notwendige Fachwissen und die Erfahrung verfügen, um psychische Belastungen zu erkennen und zu bewerten.

Darüber hinaus kann es in größeren Unternehmen oder solchen mit spezialisierten Bereichen ratsam sein, ein interdisziplinäres Team einzusetzen. Dieses Team kann aus Vertreter:innen verschiedener Abteilungen bestehen, wie beispielsweise Personal, Arbeitsschutz, Betriebsrat und Betriebsärzten. Die Zusammenarbeit ermöglicht eine breitere Perspektive und trägt dazu bei, dass verschiedene Aspekte der psychischen Gefährdungsbeurteilung berücksichtigt werden.

Auch externe Dienstleister können bei der Durchführung einer psychischen Gefährdungsbeurteilung hilfreich sein, vor allem dann, wenn die Durchführung die Kapazitäten und Kompetenzen interner Fachkräfte überschreitet.

Letztendlich ist es Aufgabe der Unternehmensleitung sicherzustellen, dass die psychische Gefährdungsbeurteilung von qualifizierten Personen oder Teams durchgeführt wird, um eine umfassende und fundierte Analyse der Arbeitsbedingungen und ihrer Auswirkungen auf die psychische Gesundheit der Mitarbeitenden zu gewährleisten.

Wie oft sollte eine psychische Gefährdungs­beurteilung durchgeführt werden?

In Deutschland gibt es keine gesetzliche Vorgabe für die Häufigkeit, mit der Unternehmen psychische Gefährdungsbeurteilungen durchführen müssen. Allerdings sind Arbeitgebende gesetzlich dazu verpflichtet, die Gesundheit und Sicherheit ihrer Mitarbeitenden zu gewährleisten, was auch den Schutz vor psychischen Gefährdungen einschließt (§ 5, Abs. 3, Nr. 6 ArbSchutzG).

Die Durchführung einer psychischen Gefährdungsbeurteilung sollte daher in regelmäßigen Abständen erfolgen, um sicherzustellen, dass die Arbeitsbedingungen kontinuierlich überprüft und mögliche Risiken rechtzeitig erkannt werden. Die genaue Häufigkeit kann je nach Unternehmen und Branche variieren und sollte an die spezifischen Bedingungen und Veränderungen angepasst werden.

Zusätzlich zu regelmäßigen Beurteilungen ist es wichtig, dass Unternehmen bei Bedarf auch außerplanmäßige Beurteilungen durchführen. Dies kann erforderlich sein, wenn sich wesentliche Veränderungen in der Organisation, der Arbeitsstruktur oder den Anforderungen auf die psychische Gesundheit der Mitarbeitenden auswirken könnten.

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